Integration – Die Reutlinger Band »Soulhossas« ist jetzt auf dem Online-Musiksender »Tunespoon« zu sehen
VON GERHARD SCHINDLER
REUTLINGEN. Rund um Reutlingen sind sie in den letzten beiden Jahren öfter aufgetreten, jetzt spielen sie vor der ganzen Welt. Seit gestern ist die Reutlinger Band »Soulhossas« auf dem Internet-Musiksender »Tunespoon.tv« zu sehen. Die integrative Combo aus vier Geistigbehinderten und zwei Coaches der Reutlinger Musikwerkstatt hat dazu eigens einen Video-Clip gedreht.
Live eine Stimmungsband, im Video bananenversessen, die Soulhossas (von links): Manuel Hubatschek (Keyboard), Felix Schweigert (Gitarre), Harald Beck (Gesang). Mathias Stöckl (Schlagzeug), Biggi Neugebauer (Gitarre) und Michael Bach (Bass). FOTO: SCHINDLER
Es war ein richtig großer Event: »Die legendären, einzigartigen Soulhossas«, wie sie angesagt wurden, präsentierten das Video zu ihrer »Bananenballade« am Samstagabend im Haus der Jugend. Weit über 100 Gäste jeden Alters und jeder – Verfassung viele waren mit dem Roll-stuhl gekommen – drängten sich im Café Pinnwand, um bei der Premiere dabei zu sein. Entsprechend ausgelassen war die Stimmung, als die Band danach noch ei-ne gute Stunde live spielte.
Zuerst mal richtig »live«
Zuvor hatten bereits die beiden Musikwerkstatt-Gruppen »Black Angels«, junge Spätaussiedlerinnen, und »Abnormal«, Behinderte der Körperbehindertenförderung Neckar-Alb, das Publikum eingestimmt. Manuel Hubatschek ist auf der Bühne der ruhigste der sechs Soulhossas. Mit Jackett und Fliege steht der große junge Mann hinter dem Keyboard und lächelt vergnügt in sich hinein. Doch auf dem neuen Video steht er im Mittelpunkt, denn die Bananenballade handelt von ihm.
»Auf Manuels Kopf wächst ein Bananenbaum«, beginnt die erste Strophe, »noch sieht man den Bananenbaum kaum. Wir gießen den Manuel jeden Tag, aber nur so viel er mag.« Wie alle Stücke der Soulhossas, ist auch die Bananenballade in den dienstäglichen Proben gemeinsam entwickelt worden. »In der Band wird sehr viel Spaß gemacht«, berichtet Manuel Hubatschek fröhlich, »und durch Späße entstehen dann solche Texte.«
Mathias haut das Schlagzeug
Frontmann Harald Beck singt auch diesmal, Felix Schweigert und Biggi Neugebauer spielen Gitarre, Michael Bach den Bass, und Mathias Stöckl haut das Schlagzeug. Dass daraus ein Video wurde, hat die Band einer Gruppe von Medieninformatik-Studenten der Fachhochschule Furtwangen zu verdanken. Mit Albrecht Schäfer-Schönthal, Professor im Fachbereich Digitale Medien, haben die sechs Studis als Jahresprojekt den Internet-Musiksender »Tunespoon.tv« ins Leben gerufen.
Testbetrieb seit November
Seit November lief das digitale Musikfernsehen im Testbetrieb, gestern Nachmittag wurde das reguläre Programm geschaltet. »Wir wollen eine Online-Alternative zu dem eindimensionalen Programm von MTV und Viva sein«, erklärt Johannes Wagner aus Reutlingen.
Nicht Chart-Erfolg oder Marktpotenzial zählen als Sendekriterien, sondern Kreativität und Originalität. Dort finden die Soulhossas jetzt einen Platz neben »Depeche Mode«, »Wir sind Helden« und zahlreichen unbekannteren Bands aus ganz Deutschland. »Wir haben jetzt 250 Titel in der Rotation«, so Wagner. Die laufen entweder in Themensendungen oder nach Zuschauerwunsch. Die »Bananenballade« haben dieselben Studenten in bewegte Bilder umgesetzt.
Mit zehn Jugendlichen des Reutlinger Vereins Mediakids und unterstützt von der Landesvereinigung für kulturelle Jugendbildung haben die Medieninformatiker in der Stuttgarter Wilhelma, im Botanischen Garten von Tübingen und im Reutlinger Haus der Jugend gedreht. »Wir wollten ganz speziell dieser Band diese Chance geben, die mit ihren besonderen Fähigkeiten und Handicaps sonst überhaupt keine Chance hat, nach draußen in die Musikwelt zu gelangen«, erklärt Petra Hermansa von Mediakids.
Von Oktober bis Dezember wurde an dem Clip gearbeitet, einen Termin im Karlsruher Zentrum für Kunst und Medien inklusive: Dort drehten die Studenten mit den Soulhossas die Passage, in der auf Manuels Kopf eine animierte Palme aus Knetmasse wächst, auf der die ganze Band im Zwergenformat spielt. Doch auf dem Video will sich die rührige Gruppe längst nicht ausruhen.
Singen für Fußballer
Musikwerkstatt-Mitarbeiterin Biggi Neugebauer hat bereits das nächste Ziel vor Augen: »Wir wollen uns mit dem Film bewerben, um bei der ersten Weltmeisterschaft behinderter Fußballer 2006 in Köln zu spielen.« Wenn die Auswahlkommission den Bananenhumor der Reutlinger teilt, stehen die Chancen für die Soulhossas gar nicht schlecht.
Originalartikel erschienen am 18.01.2005 im Reutlinger Generalanzeiger.