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Computerwerkstatt Presse

Heimat vor der Kamera 17/12/04

Medienprojekt – Schüler der Eduard-Spranger-Schule drehen einen Film zum Thema »Habseligkeiten«

VON GERHARD SCHINDLER

REUTLINGEN. 500 Schüler aus 29 Nationen und 12 verschiedenen Religionsgemeinschaften – das ist die Eduard-Spranger-Schule im Reutlinger Ringelbachgebiet. In einem besonderen Medienprojekt lernen derzeit 12 Schüler aus mehreren Klassen den Umgang mit Videokamera und Schnittcomputer. Am Ende der Woche soll ein Kurzfilm zum Thema »Bewegliche Habe« dabei herauskommen.

FilmprojektAusprobieren, wie’s am besten aussieht: Vasilis präsentiert die Buzuki und die Muscheln aus Griechenland. FOTO: SCHINDLER

Vasilis hat dazu an diesem Morgen die Buzuki seines Vaters und zwei kokosnussgroße Muscheln mitgebracht. Beides erinnert den jungen Griechen an Zuhause, die Muscheln hat ihm ein Freund mitgegeben, als sich die Familie auf den Weg nach Deutschland machte. Und genau darum soll es in dem Film gehen: um den Abschied, um Erinnerungen und um Dinge, die man mitgenommen hat aus der Heimat.

Dritter Projektteil

Der Videofilm ist der dritte Teil eines Medienprojekts, das die Reutlinger Vereine Kulturwerkstatt und Mediakids an der Eduard-Spranger-Schule umgesetzt haben. Im Lauf des Jahres entstanden bereits eine Zeitung und mehrere Hörfunkbeiträge. Doch zum Jahresende läuft die Förderung erst einmal aus, ein neuer Geldgeber ist noch nicht in Sicht.

»Herzzerreißende Geschichten« kommen bei dem Film heraus, hat Petra Hermansa festgestellt, die zusammen mit Daniela Baum das Medienprojekt mit den Schülern unternimmt.

Abschied im Herzen

Zwölf junge Menschen machen mit, mehr Geschichten passen kaum in einen Acht-Minuten-Film. Alle von ihnen leben in Reutlingen und tragen einen Abschied in ihrem Herzen, als sie und ihre Familie aus ihrem Heimatland auswanderten.

Alle haben sich auf das einwöchige Projekt vorbereitet, Gegenstände mitgebracht und Geschichten dazu aufgeschrieben. Habseligkeiten – »das so genannte schönste deutsche Wort« – dient als Aufhänger für den Film, erläutert Petra Hermansa die Idee für die Medienwerkstatt. Dazu führen die Schüler auch ein Interview mit Doris Kalka aus Tübingen, die mit diesem Wort den Wettbewerb des Deutschen Sprachrates gewann. Doch im Mittelpunkt stehen ihre eigenen, ganz persönlichen Geschichten. Rabia besucht wie Vasilis die so genannte Vorbereitungsklasse der Spranger-Schule – die einzige Klasse in Reutlingen, in der Jugendliche aufgenommen werden, die erst im Lauf des Jahres nach Deutschland kommen.

Fotos von den Lieben

Rabia kam vor vier Monaten mit ihren Eltern aus der Türkei. Für den Film hat sie Fotos mitgebracht: von der Familie und ihren besten Freundinnen, die zuhause geblieben sind.

Vor dem blauen Leintuch, das heute vom Bücherregal im Klassenzimmer hängt, hält sie ihre Bilder in die Kamera. Und ihre Schulkameraden, die aus China, Russland, Kasachstan, Lettland und dem Irak stammen, lernen am Monitor gleich, wie man mit der »Blue-Box«-Technik Rabia vor ihre eigenen Fotos und Vasilis vor die Buzuki seines Vaters montieren kann.

Mutig und kontaktfähig

»Wir versuchen mit der Medienwerkstatt, unseren Kindern neue Fähigkeiten zu vermitteln und ihnen Erfahrungen zu ermöglichen, die man sonst nicht so ohne weiteres machen kann«, erklärt Schulleiter Peter Kick den Hintergrund der Kooperation, die seit sechs Jahren läuft.

Zu gerne hätte die Grund- und Hauptschule das Projekt fest im Stundenplan – zumal es optimal das pädagogische Konzept des neuen Lehrplans erfüllt, wie Peter Kick und Petra Hermansa einmütig schwärmen. »Was die Kinder hier lernen, geht weit über reine Medienkompetenz hinaus«, sagt Hermansa, und Kick hat beobachtet: »Die Schüler werden einfach mutiger und trauen sich zu, in dieser Welt handlungs- und kontaktfähig zu werden.«

Geld fehlt

Doch nach dem Videofilm ist erst einmal Schluss: Das Geld fehlt. Bislang hat die Jugendstiftung des Landes das Projekt mit 5 000 Euro angeschoben, weitere 1 000 Euro hat die Kreissparkasse kürzlich beigesteuert. »Ehrenamtlich können wir aber leider nicht arbeiten«, sagt Petra Hermansa.

Und Peter Kick ergänzt mit einem Seitenblick Richtung Stuttgart: »Wenn Medienerziehung ein Teil des Curriculums werden soll, müssen die Finanzen einfach gesichert sein.« (GEA)

Originalartikel erschienen am 17.12.2004 im Reutlinger Generalanzeiger.