In der aktuellen Debatte um „Flüchtlinge“ gibt es unterschiedlichste Positionen, die teilweise sachlich, mitunter aber auch offen fremdenfeindlich vorgetragen werden, Tatsachen verdrehen und Legenden bilden. Es ist hierbei so unübersichtlich geworden, dass einfache und nachvollziehbare Diskurse oftmals unmöglich erscheinen. Die Grundlage des Problems allerdings lässt sich (noch) auf wenige Tatsachen herunterbrechen.
Tatsache eins ist die Erkenntnis, dass es auf der Welt, in ihrem momentanen Zustand und in Bezug auf verschiedenste sozialpolitische Faktoren, keine Gleichverteilung, wahrscheinlich keine Gerechtigkeit, gibt. Anders ausgedrückt: es existieren arm und reich, Krieg und Frieden, Ungleichbehandlung und Gleichberechtigung, Mangel und Überfluss, Perspektivlosigkeit und Chancen Tür an Tür, Staat an Staat, Kontinent an Kontinent. Warum das so ist, wer dafür verantwortlich ist, was dagegen getan und ob überhaupt jemals eine echte Lösung gefunden werden kann, muss an dieser Stelle vernachlässigt werden. Tatsache zwei ist, dass es eine steigende Zahl an Ländern gibt, die zur Schattenseite dieser Entwicklung gezählt werden können und wenige, die auf der Sonnenseite stehen. Warum das so ist, bleibt an dieser Stelle ebenfalls unberücksichtigt. Tatsache drei lautet: Deutschland und (der größte Teil von) Europa zählen zu den sehr sonnigen Plätzen in dieser geopolitischen „Gesamtwetterlage“. Und auch wenn hier, auf der subjektiven Mikroebene, nicht alles gut ist – auch in Deutschland gibt es oben und unten, privilegiert und unterprivilegiert – lebt der Mensch, in Zeiten der Globalisierung, nicht (mehr) im luftleeren Raum sondern ist konfrontiert mit den Entwicklungen und Bedingungen in der Welt um ihn herum – alles hängt irgendwie mit allem zusammen – daher stellt sich hierbei auch immer die Frage nach Verantwortung.
Vieles spricht dafür, dass Flucht und Migration in den kommenden Jahrzehnten bestimmendes Thema der Welt, der Kontinente, der Staaten und Kommunen werden wird. Menschen flüchten von den Schattenseiten, vor Perspektivlosigkeit, Armut, Krieg, Gewalt und Zerstörung in die sicheren und (sonnen)reichen Gegenden der Welt und lassen sich dabei nicht von der Asylgesetzgebung einzelner Staaten beeindrucken. Da nun die totale Befriedung der Welt in den Sternen steht, „Das Boot ist voll“-Rhetorik wenig hilft, weil die grundlegenden Tatsachen dadurch nicht gelöst sind und Abschottung, Stacheldraht, Mauern oder Armeen diese Entwicklung ebenfalls nicht aufhalten können bleibt die Einsicht, dass Situationen, die aus alldem Entstehen, praktisch und konstruktiv (am Ende) gerade in den Kommunen gelöst werden müssen. Dabei wichtig: mit den hierfür verfügbaren Ressourcen sollte besonnen umgegangen werden – auch in Hinblick auf die in den Kommunen schon bestehenden sozialen Problemlagen und förderwürdigen Gruppen. Ein Konkurrenzverhältnis um Geld und Man/Woman-Power zwischen den klassischen Zielgruppen sozialer Arbeit und den geflüchteten Menschen darf sich auf lange Sicht nicht einstellen.
Die Kulturwerkstatt stellt sich im Kreis Reutlingen der aktuellen Herausforderung und arbeitet schon jetzt gezielt, professionell und entschlossen mit an dieser kommunalen Aufgabe ohne allerdings unsere traditionellen Zielgruppen zu vernachlässigen. Ein wöchentlicher Trommelkurs in der Carl-Zeiss-Straße und erste Konzeptionierungen mit Schulen für nachhaltige Angebote sind zwei Beispiele in diesem Bereich. Um diesen unerwarteten Spagat leisten zu können bedarf es motivierte und innovative Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie Unterstützung durch unsere Netzwerkpartner. Denen gebührt der Dank an dieser Stelle!