Jetzt haben wir ihn also auch: einen islamistisch motivierten Anschlag mitten in Deutschland mit vielen Toten und Verletzten. Symbolträchtig ins Herz getroffen, zur Weihnachtszeit, auf einem Weihnachtsmarkt in Berlin. Nicht, dass es schon (auch) tödlichen, islamistischen Terror (ganz zu schweigen vom rechtsextremistischen Terrorismus eines NSU) in Deutschland in jüngster Zeit gegeben hätte – man denke an den Mordanschlag am Frankfurter Flughafen auf US-Soldaten 2011, die Messerattacke auf einen Polizisten in Hannover 2015 sowie die Angriffe und Anschläge 2016 auf ein Gebetshaus der Sikh in Essen, auf Reisende einer Regionalbahn in Würzburg und auf Festivalbesucher in Ansbach. Aber die Dimension und Brutalität der Morde an der Gedächtniskirche, die Parallelen zum Anschlag in Nizza, werden Deutschland ab jetzt prägen. Erste Verlautbarungen zu Schuldigen bzgl. der sogenannten „Flüchtlingskrise“, zum Umgang mit Flucht und Migration sowie zur Sicherheitsarchitektur gab es schon kurz nach dem Attentat. Das Zynische an den Vorkommnissen des 19.12.2016 ist, dass alle irgendwie, irgendwo und irgendwann in Deutschland mit einem solchen Anschlag gerechnet hatten; und wahrscheinlich war es nicht der letzte.
Die leitende Frage, die jetzt verstärkt gestellt werden sollte, lautet: was kann gegen Radikalisierung (nicht nur aber gerade auch im Bereich des Islamismus) von meist jungen Menschen getan werden? Ich greife diese Frage hier bewusst noch einmal auf, obwohl ich sie schon in der letzten Information 2016 gestellt hatte. Das Thema ist seit den genannten Geschehnissen dringlicher denn je und auch Praxis und Forschung haben sich in letzter Zeit hierzu deutlich weiterentwickelt. Eine Antwort auf die Frage findet sich z. B. in einem 2016 veröffentlichten Gutachten des Instituts für Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld zur „Systematisierung von in Deutschland angebotenen und durchgeführten (Präventions-)Programmen gegen islamistisch motivierte Radikalisierung“. Bereiche der Prävention, welche die Autoren hier in den Mittelpunkt stellen sind u. a. die Förderung der Medienkompetenz und Medienreflektion, die Bildungs- und Aufklärungsarbeit, die institutionelle Netzwerkbildung sowie die jugendspezifische Beratung und Begleitung.
Ziel einer gelungenen (primären) Prävention von Radikalisierungsverläufen ist es „gesellschaftliche Zugehörigkeit und ein Zusammengehörigkeitsgefühl in einer pluralistischen Gesellschaft zu entwickeln“ (Trautmann & Zick 2016, S. 24). Gemeint ist damit insbesondere die Etablierung demokratiepädagogischer Elemente in die eigene (pädagogische, Soziale) Arbeit und die Förderung von interkulturellen Kompetenzen in der eigenen Handlungspraxis. Ich meine, dass die Kulturwerkstatt in all ihren Bereichen (Musik, Medien, Computer und Video) und seit nunmehr 33 Jahren mit ihren medienpädagogischen Ansätzen schon immer die Maxime der Vermittlung demokratischer Werte in Stadt und Landkreis Reutlingen (und darüber hinaus) verfolgt hat. Gerade auch die vielfältigen Kooperationen mit Schulen zeigen ein lebendiges Netzwerk, in dem die Kulturwerkstatt sich seit Jahrzehnten erfolgreich einbringt.
In den letzten Jahren haben wir außerdem Projekte ins Leben gerufen, die ganz direkt den Bezug zur Prävention von Radikalisierungsverläufen im Bereich des Islamismus aufweisen sowie auch das Thema der Islamfeindlichkeit thematisieren. Ganz bewusst wollen wir mit unseren Angeboten auch weiterhin einen Beitrag für mehr Demokratie und gegen Radikalisierung und Extremismus liefern. Auch wenn in einer globalisierten Welt oftmals der Blick für das Detail verlorengeht, so fängt jede Prävention in der Kommune, vor Ort an und beeinflusst damit dann auch – Pars pro toto – das „große Ganze“. Diesen Weg wollen wir gerne auch in Zukunft mit all’ unseren motivierten und innovativen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sowie unseren unzähligen Netzwerkpartnern gehen. Hierfür rück- und ausblickend ein herzliches Dankeschön!