Kategorien
Allgemein Presse

Pädagogik mit Tasten und Tönen 10/11/09

Jubiläum – 25 Jahre Kulturwerkstatt Reutlingen werden am kommenden Samstag gebührend gefeiert

VON ANDREA GLITZ

REUTLINGEN. Die »Kulturwerkstatt Reutlingen e. V.« feiert 25 Jahre Bestehen. Ein reifes Alter für eine soziale Einrichtung, die sich stets weitgehend aus eigener Kraft nähren musste. Seit 25 Jahren bietet die Kulturwerkstatt, wies im Pädagogendeutsch heißt, »benachteiligten« Kindern und Jugendlichen sinnvolle Freizeitgestaltung an und damit neue Perspektiven. Seit 25 Jahren bereichert sie auch die Reutlinger Kulturlandschaft.

 

Viele Engagierte geben in der Kulturwerkstatt seit Gründung den Ton an. Hier eine kleine Auswahl: Darius Mozgiel (von links), Petra Lever, Stefan Grabowski, Andreas Förster, Simon Madaus und Birgit Neugebauer. FOTO: GERLINDE TRINKHAUS

Auf dem Aktivitätsspielplatz am Dietweg riefen Betreuer und Jugendliche seinerzeit ein Bandprojekt ins Leben. Geprobt wurde zunächst, wie Stefan Grabowski in seinem Rückblick erzählt, »in der Küche des Spielplatzes«.

»In einer Band lernt man, aufeinander zu hören«

Birgit Neugebauer erläutert, wie gemeinsames Musizieren und Pädagogik zusammenpassen: »In einer Band lernt man, aufeinander zu hören.« So bildete die 1984 gegründete Musikwerkstatt die Keimzelle des Vereins, der damals den eingetragenen Vereinsnamen der brachliegenden »Kulturwerkstatt« übernahm. Im gleichen Jahr bezog man Heimat im »Haus der Jugend«.

Bis 1987 lief die Arbeit ausschließlich auf ehrenamtlicher Basis. Tragende Säulen waren und – sind bis heute – Pädagogen der Reutlinger Hochschule, die zunächst als Praktikanten halfen, wie die beiden Gründer, Dietmar Porcher und Wolfgang Theurer. Mit frischen Mitarbeitern kamen frische Ideen ins Haus. Wilfried Lever gründete 1989 die Computerwerkstatt, Birgit Neugebauer 1992 die Mädchenmusikwerkstatt. Auch sie ist seinerzeit als Studentin über ein Praktikum »in den Männerverein reingestolpert« und sah Handlungsbedarf. Petra Lever, damals ebenfalls im Praktikantenstatus, bot im gleichen Jahr erstmals Computerkurse nur für Mädchen an.

Nach 1987 leistete sich der Verein zwei halbe Stellen. Seit 2007 beziehungsweise 2009 finanziert die Stadt zwei halbe Stellen. Der Landkreis gibt 13 000 Euro jährlich zu. Den Rest muss der Verein selber schultern. Das funktioniert vor allem über Teilnehmerbeiträge, die regulär bei 30 Euro im Monat liegen. Wer das Geld nicht aufbringen kann, wird nicht fortgeschickt. Ansonsten schaut man, wo Geld in Bund, Land oder gar bei der EU zu holen ist. 1,7 Millionen Euro Fördergelder hat der Verein mit den Jahren ins Haus geschafft, weiß Petra Lever.

Fünf Hauptamtliche, die sich 3,5 Stellen teilen, und 18 Honorarkräfte und Ehrenamtliche kümmern sich derzeit in diversen Projekten um monatlich um die 1 000 Teilnehmer. Bis zu 30 Bands pro Woche werden musikpädagogisch betreut. Die Kinder werden immer jünger: Viele kommen schon mit acht Jahren. Das Interesse steigt, offensichtlich weil das Konzept stimmt. »Schnelle Erfolgserlebnisse« verspricht beispielsweise Petra Lever in ihren Computerkursen. Bei der kreativen Arbeit am Rechner lernen die Schützlinge ganz nebenbei noch jede Menge Dinge, die im Alltag nützen. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich.

Auch künftige Bandmitglieder müssen nichts mitbringen, außer der Lust an Musik vielleicht. Instrumente stellt die Kulturwerkstatt zur Verfügung. Gemeinsam mit anderen etwas auf die Beine stellen und soziale Kompetenz trainieren, lautet die Devise.

Ganz nebenbei hat die Kulturwerkstatt ein paar Bekanntheiten hervorgebracht. »Debbie Rockt« haben dort die ersten Gehversuche unternommen, Johanna Zeul und Johanna Herdtfelder. »Wir wollen aber keine Stars produzieren«, wiegelt Birgit Neugebauer ab.

Sie managt auch die Band »Soulhossas«, in der Menschen mit geistiger Behinderung zusammenspielen. Seit 2 000 sind die Bandmitglieder in fast unveränderter Besetzung zusammen. »Sie sind unsere Gig-Kings mit gut zehn bis zwölf Auftritten im Jahr«, freut sich die Pädagogin. Die Feierstimmung trübt allerdings ein fetter Wermutstropfen: Die Kulturwerkstatt fürchtet die anstehenden Sparmaßnahmen der Stadt. »Wir bangen darum, dass wir das bissle, was wir erkämpft haben, wieder weggenommen kriegen. Das wäre verheerend«, sagt Neugebauer. (GEA)

25 Jahre Kulturwerkstatt werden am kommenden Samstag, 14. November, gefeiert. Ab 14 Uhr stellt sich die Einrichtung im Haus der Jugend (Museumstraße 7) vor. Es gibt Musik und Videos. Die Gäste können in Workshops rund um Musik und Computer selbst aktiv werden. Um 17.30 Uhr wird dann Sekt in der »Pinnwand« serviert. Um 18 Uhr eröffnet Vorstand Marc Coester den offiziellen Teil mit Oberbürgermeisterin Barbara Bosch und Landrat Thomas Reumann. Ab 20 Uhr treten in Musikwerkstatt Bands auf: Soulhossas, Parkverboot, Rockwärts, The Stage und Storm In A Teacup. (GEA)

Originalartikel erschienen am 10.11.2009 im Reutlinger Generalanzeiger.