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Allgemein Vorstand

Ihr werdet auch mal noch gescheit!

Dr. Marc Coester 1. Vorstand
Prof. Dr. Marc Coester
Vorstands-vorsitzender
Kulturwerkstatt e.V.

Seit 1984 bieten wir soziale Kultur- und Medienarbeit für benachteiligte und nicht-benachteiligte junge Menschen, mit und ohne Behinderung, in Reutlingen an. Die Mitarbeiter*innen tun dies mit Hingabe, Kreativität und Engagement und entwickeln immer wieder neue Konzepte und Methoden, spinnen Ideen, um somit nahe am Puls der jungen Menschen zu sein und das Überleben der Einrichtung zu sichern – Stillstand ist ja bekanntlich der Tod. Im Mittelpunkt steht dabei immer der einzelne, junge Mensch. Ziele der Angebote sind, unter anderem, die sinnvolle Gestaltung der Freizeit, kulturelle Bildung oder die Stärkung sozialer Kompetenzen sowie sozialer Teilhabe. Gleichzeitig wollen wir das Gemeinschaftsgefühl in den Jugendgruppen stärken, Ausgrenzung und Diskriminierung vorbeugen und letztendlich gerade auch den politischen Aspekt des Empowerments junger Menschen in der Gesellschaft schärfen.

Wir glauben nicht nur daran, dass die Jugend die Zukunft unserer Gesellschaft ist, wir arbeiten auch jeden Tag gemeinsam mit unseren Teilnehmer*innen daran, dass alle jungen Menschen in die Lage versetzt werden, die für sie wichtigen und essentiellen Themen und Probleme artikulieren zu können, sich entsprechend einzubringen und sich für ihre Ansichten friedlich, kreativ und politisch einzusetzen.

Dass Gesellschaften dies zwar in Verlautbarungen und Politiker*innen in Sonntagsreden gerne unterstützen, im Konkreten dann allerdings wieder in typische rhetorische Muster eines Generationenkonflikts verfallen (frei nach Aristoteles, der vor über 2000 Jahren schrieb: „Ich habe überhaupt keine Hoffnung mehr in die Zukunft unseres Landes (…). Unsere Jugend ist unerträglich, unverantwortlich und entsetzlich anzusehen.“), zeigt der aktuelle Umgang mit dem Phänomen „Greta“ und den „Fridays for Future“ Demonstrationen weltweit. Dieser Diskurs ist mittlerweile hysterisch. Im Kern geht es darum, und unabhängig jeglicher Thematik und Ideologie, dass (erwachsene) Menschen aufgefordert werden, das zu tun, was sie gesagt und vereinbart haben. Im Grunde also Werte, die wir jeden Tag Kindern und Jugendlichen in unserer Gesellschaft beibringen. Ein guter Mensch ist ein Mensch, der sein Wort hält. Eigentlich ganz einfach. Die Reaktion vieler Erwachsener auf diese jungen Menschen fällt allerdings weniger einfach aus: Beleidigungen, Morddrohungen und Häme, insbesondere auch zielgerichtet auf die Entwicklungsstörung (Autismus) der Hauptaktivistin. Wow!

Unabhängig von einem offenen und ehrlichen gesellschaftlichen Diskurs über aktuelle Themen und Probleme, in dem Jeder und Jede sagen darf, was er oder sie will, in dem alle Meinungen gehört und diskutiert werden, setzt sich die Kulturwerkstatt gerade auch für die jungen Menschen ein, achtet und hört deren Meinungen, fördert deren Artikulation, Empowerment, Teilhabe und vertraut auf ihr Innovationspotential – auch wenn dies teilweise für die älteren Generationen unangenehm werden kann. Unsere Arbeit unterstützt diesen jugendlichen Drang, Fragen zu stellen und Veränderungen zu wagen, und dies seit über 37 Jahren. Wie geht der Song von Grönemeyer doch so schön weiter: „Stillstand ist der Tod, geh‘ voran, bleibt alles anders“. Herrlich.